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Immaterielles Kulturerbe

Bräuche, Wissen, Handwerkstechniken  
Foto: © UNESCO/James Muriuki

Die Zunftbräuche der Zimmer*innen von Windischgarsten und Umgebung
Gesellschaftliche Praktiken in Oberösterreich, aufgenommen 2023

Seit dem Jahr 1498 haben verschiedene zünftische Bräuche unter den Zimmerer*innen in Windischgarsten bis heute Bestand. Am Jahrestag der Zimmererzunft, dem 19. März jeden Jahres, findet ein Messbesuch in der Pfarrkirche statt, gefolgt von einer Zusammenkunft in einem Gasthaus. Dort werden die zwei Zunftladen vom Zunftmeister und einem*r Stellvertreter*in geöffnet, die Anwesenden tragen sich in die Zunftbücher ein und entrichten das "Zunftgeld" für die Erhaltung der Zunftfahne und soziale Zwecke. Anschließend wird gemeinsam gegessen und gefeiert, während die Zunftladen geschlossen bleiben.

Im Jahr 1498 wurde die Zimmererzunft von Windischgarsten vom Stift Spital am Pyhrn unter Dechant Andreas Sackauer gegründet. Sie gehört zu den ältesten Zünften auf dem Land. Die Zimmerer*innen hatten damals unter anderem die Aufgabe, Straßenbrücken zu erhalten, Fluder und Wasserräder für Schmieden und Mühlen herzustellen sowie Schindeln anzufertigen. Es gibt zwei Zunfttruhen, eine im Hofwirt in Spital, wo der Jahrtag am Josefitag gefeiert wurde, und eine auf der Herberge in Windischgarsten, wo der zweite Jahrtag am Pfingstmontag stattfand. In diesen Truhen werden die alten Zunftdokumente aufbewahrt, darunter die Zunftordnung von Propst Christoph Mülleder von Tiefental aus dem Jahr 1619. Nach der Auflösung der Zünfte im Jahr 1859 wurden die Bräuche der Zimmererzunft in Windischgarsten weiterhin gepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben. Während der beiden Weltkriege und der Pandemie gab es vorübergehende Unterbrechungen, aber die Bräuche blieben seit 1859 inhaltlich unverändert. Früher durften nur ehelich geborene und katholisch getaufte männliche Zimmerleute in die Zunft aufgenommen werden, während heute keine Beschränkungen mehr bestehen. Die Lehrzeit dauert nun drei Jahre, und in der Ausbildung im Raum Windischgarsten wird besonderer Wert auf die Vermittlung der Handwerkstraditionen gelegt.
Zu den traditionellen Bräuchen der Zimmererzunft gehören auch die "Gleichenfeiern". Nach Fertigstellung des Dachstuhls wird ein Richtbäumchen angebracht und ein Zimmermannsspruch aufgesagt. Es wird auf das Wohl des Bauherrn und der Baufrau angestoßen, und im Anschluss wird mit einer Jause und einem Umtrunk gefeiert.Die Zimmerleute nehmen auch jedes Jahr an der Fronleichnamsprozession teil. Eine Delegation der Zimmererzunft trägt die Zunftfahne während des Prozessionszugs. Die Kosten für die Instandhaltung der Fahne trägt die Zunft. Bei Beerdigungen von Zunftmitgliedern werden ebenfalls traditionelle Bräuche gepflegt. Zimmerer tragen den Sarg von verstorbenen Zunftangehörigen. Falls Angehörige in sozialer Notlage sind, spendet die Zunft einen Geldbetrag.
Bei Bauvorhaben für landwirtschaftliche Betriebe und manche privaten Wohnhäuser in der Region spielt die Nachbarschaftshilfe, insbesondere beim Aufstellen von Dachstühlen, eine wichtige soziale Rolle. Durch diese Form der Unterstützung werden die Baukosten reduziert. Die Gleichenfeiern, bei denen Jause, Getränke und ein geselliges Beisammensein stattfinden, stärken das Gemeinschaftsgefühl und die Verbundenheit der Beteiligten mit der Region und ihren Traditionen.

Kontakt

Josef Steindl
4580 Windischgarsten
Sv-steindl@pptv.at
www.holzbau-steindl.at

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